Holzhausenschlösschen im Winter © Anita Bauer

Salon kontrovers: Briefe – schreiben und lesen

„Lieber Lamm in der weiten Welt! – Deine unvergeßliche Häsin“. Aus dem Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Katia Mann
  • Donnerstag, 5. Dezember 2024 – 19.30 Uhr

Holzhausenschlösschen
Justinianstraße 5
60322 Frankfurt am Main

Thomas Mann und Katia Mann in Berlin © Bundesarchiv Berlin (Bild 183-H27031), via Wikimedia Commons

Zum 150. Geburtstag und 70. Todestag von Thomas Mann im Jahr 2025

Eintritt € 14,- (Parkett, Reihe 1-5) / € 10,- (Parkett, Reihe 6 und Fensterbänke) / € 5,- (Empore, eingeschränkte Sicht)

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Darüber hinaus werden wir über die Mediathek unserer Website am Veranstaltungstag kostenfrei einen Livestream der Veranstaltung anbieten.

Gelesen von Peter Schröder und Christina Geiße
Konzeption und Einführung: Ruthard Stäblein

Zur Veranstaltung


Thomas Mann, 1875 in Lübeck geboren, veröffentlicht 1901 den Familienroman „Buddenbrooks“. Trotz des Erfolgs fühlt er sich einsam und wie sein Held der gleichnamigen Novelle, Tonio Kröger, „sterbensmüde, das Menschliche darzustellen, ohne am Menschlichen teilzuhaben.“ Er fühlt sich wie Tonio Kröger in einem Zwiespalt: „ein Bürger, der sich in Kunst verirrt, ein Bohemien mit Heimweh nach der guten Kinderstube“. Aus diesem Zwiespalt sucht er sich zu lösen, indem er eine Familie gründet, die ihm den Halt gibt, um weiter zu schreiben. Sein Dilemma: Er muss seine heimliche Sehnsucht nach jungen Männern stillhalten, den „Urkram“, diese verhasste „Geschlechtlichkeit“ sublimieren, kultivieren, so gut es geht. Und kann so weiterschreiben. War die Ehe also Kalkül?

Und doch ist er anders als sein Tonio. Er umwirbt Katia Pringsheim, 1883 in einer gebildeten, bürgerlichen, reichen, deutsch-jüdischen Münchner Familie geboren. Fast ein Jahr lang schreibt er ihr Liebesbriefe, die geradezu überschwänglich, betörend, verzaubernd, verführerisch, verzweifelt, verzagt, verwirrt, überwältigend sind. Katia ziemt sich wie ein Burgfräulein, antwortet kaum auf seine Briefe; aber Thomas belagert sie so lange bis er die 21-Jährige nach einem Jahr heiraten darf, obgleich sie lieber weiter Mathematik studieren und Tennis spielen würde. Schon 9 Monate nach der Hochzeitsreise, wird die Älteste geboren, Erika, dann Klaus und vier weitere Kinder.

Katia akzeptiert die homosexuellen Neigungen von Thomas, die er eh zumeist sublimiert. Sie kümmert sich um die Kinder, den Haushalt, die Verhandlungen mit dem Verleger. Sie war die Mutter der Mann-Kompanie. Fühlt sich Katia in ihrer Ehe eingeengt, Thomas Mann unbefriedigt? Trotz der Spannungen, nennen sie sich zärtlich mit Kosenamen: sie die Häsin, er das Reh.

Nach der Hochzeit schrieb sie die Briefe, die er kaum mehr beantwortet. Katia argwöhnt einmal sogar, dass er ihre Briefe nicht einmal liest. Das kann nicht stimmen. Denn viele ihrer Eindrücke und Beobachtungen finden ihr Echo in seinem Werk, insbesondere im „Zauberberg“ und in seinen umfangreichen „Tagebüchern“. Ihre Briefe sind keineswegs „ins Leere gesprochen“, sondern berühren noch den heutigen Leser aufgrund ihrer Klarheit, Direktheit und literarischen Qualität. Ihre Briefe brauchten gar nicht beantwortet werden, denn sie stehen auch für sich. Sie sollten zum Kanon der deutschen Literatur gerechnet werden, wie die Briefe der Mme de Sévigné zum französischen.

Es handelt sich insgesamt um eine asymmetrische Briefführung. Und aus unserem „Salon kontorvers“ wird dieses Mal eher ein „Salon introvers“. Im Vorausblick auf den 150. Geburtstag von Thomas Mann im nächsten Jahr.

Wie im Hause Mann wird in diesem Salon der Dialog über die Bande geführt.

Ruthard Stäblein

Die Mitwirkenden


In Berlin geboren und aufgewachsen, absolvierte Peter Schröder seine Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Ab 1982 hatte er Engagements in Bremen, Lübeck, Kassel, Hamburg, Berlin, am Theater an der Ruhr und bis 2011 am Theater Basel. Er arbeitete u.a. mit Werner Schroeter, Elias Perrig und Roberto Ciulli zusammen und, seit seinem Engagement am Schauspiel Frankfurt ab 2011, mit Michael Thalheimer, Kay Voges, Oliver Reese, Andrea Breth, Jan Bosse, Andreas Kriegenburg, David Bösch, Roger Vontobel, Anselm Weber und Mateja Koleznik. In Frankfurt war er auch in seinen Soloabenden „Die Legende vom heiligen Trinker“, „Lenz“ und „Abschied von den Eltern“ von Peter Weiss zu sehen.

Peter Schröder © Michael Benthin

Christina Geiße studierte an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Während ihres Studiums arbeitete sie an den Münchner Kammerspielen, 2002-2008 war sie Mitglied im Ensemble der Schaubühne Berlin und später Anselm Weber holte sie als Gast ans Essener Grillo-Theater. 2009–2017 war sie Ensemblemitglied am Thalia Theater in Hamburg, seit 2017 ist sie fest am Schauspiel Frankfurt engagiert. Sie arbeitete u.a. mit den Regisseuren und Regisseurinnen Luk Perceval, Thomas Ostermeier, Dimiter Gotscheff, Christopher Rüping, Jessica Glause, Barbara Bürk, David Bösch, Stefan Bachmann, Anselm Weber, Jan Bosse, Lilja Rupprecht, Christina Tscharyiski und Laura Linnenbaum. Nach ihrem Kameradebüt, das sie 2004 gab, ist die Künstlerin auch immer wieder in Film und Fernsehen zu sehen und als Sprecherin in diversen Hörspielen tätig.

Christina Geiße © Jean-Marie Gilles

Ruthard Stäblein, geboren in Mellrichstadt. Studium der Romanistik, Germanistik, Komparatistik und Philosophie in Berlin, Tübingen, Toulouse und an der Sorbonne in Paris. Danach als Assistent, Lektor und Dozent in Paris und Nancy: Mitglied in der Forschungsgruppe „Culture de Weimar“ an der Pariser „Maison des Sciences de l'Homme“. Publikationen zur Wiener Moderne und zur „Dekadenz“ in verschiedenen Sammelbänden. Herausgeber von „Identitätskrise und Surrogatidentitäten. Zur Wiederkehr einer romantischen Konstellation“ (Campus-Verlag) sowie einer Reihe über Moral seit 1992 in fünf Bänden, erschienen bei Fischer und Insel. Seit 1988 Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks, Redakteur für Literatur. Dramaturgische Einrichtung von Hörbüchern wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil; „Atemschaukel“ von Herta Müller; Briefwechsel zwischen Siegfried Unseld und Thomas Bernhard; „Schopenhauer in 100 Minuten“; „Autobiographische Schriften“ von Thomas Bernhard; „Freiheit“ von Jonathan Franzen; „Der Traum des Kelten“ von Mario Vargas Llosa; „Die sterblich Verliebten“ von Javier Marias, „Nietzsche in 100 Minuten“ u.v.a.

Gesamtleitung: Frankfurter Bürgerstiftung
Förderer: Dr. Marschner Stiftung
Kooperationspartner: S. Fischer Verlag

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